So gerne ich mit eigenen Schnitten herumhantiere (und das tue ich wirklich gerne!), das Problem dabei ist, dass es keine vorgegebene Route gibt der man einfach folgt. Damit meine ich gar nicht mal die Verarbeitungsreihenfolge. Man muss halt wirklich jedes Detail selber entscheiden, oft mitten während des Prozesses. Deswegen dauert sowas bei mir immer etwas länger und manchmal blockieren mich die Optionen auch. Zum Beispiel bei diesen Kleid hier: Wie füttert man sowas? Wäre das ein Kaufschnitt, wäre klar vorgegeben, welches Futter nach welchem Schnitt wo rein soll. Ich müsste nur noch entscheiden ob ich dieser Vorgabe folge oder mir was anderes ausdenke. Hier hampel ich mit verschiedenen Möglichkeiten rum, teste dieses und jenes und komme nicht richtig voran. Genauso mit anderen Details, die ich wieder und wieder im Kopf hin und her bewege. Das nervt mitunter. Weniger negativ könnte man das natürlich auch als Chance begreifen neue Wege zu gehen und eigene Lösungen zu finden. Ich arbeite dran. ;)
Das Kleid besteht aktuell aus dem fertigen Oberteil und dem ungesäumten Rock, beide noch einzeln. Fürs Foto habe ich die Teile mal auf die Puppe gezogen. Die Taille sitzt hier noch ganz falsch und der Rock ist auch nur grob angepinnt, also keine Passformstudie sondern wirklich nur was für einen groben Eindruck.
Ich brauche außerdem noch einen Unterrock, und zwar einen (mehr oder weniger) olivfarben. Ein hellerer geht zur Not auch, erzeugt aber einen minimalen Farbunterschied zum Oberteil. Ich schaue also im Stoffhandel ob ich einen farblich passenden Jersey bekomme. Futterstoff, Satin, o.ä. klebt im Zweifel nur an den Beinen. Und da der Chiffon so glatt ist, klettet er nicht an und ich kann auch einen weniger typischen aber dafür bequemeren Futterstoff verwenden. Wenn ich das Futter habe, kann ich die Teile dann auch zusammennähen.
Soweit zum Kleid. Erfolgreicher geht es mit dem Blazer weiter. Er braucht nur noch Ärmel! Das ging wirklich schnell.
Ich gehe hier noch kurz auf meine Änderungen bzw. Abweichungen vom Cut-Heft ein, ist vielleicht nicht so spannend für alle die das Modell nicht nähen wollen, aber ein paar Tipps sind möglicherweise trotzdem dabei.
Ich habe als erstes die Vorderteile im Bereich des Schalkragens mit Bügeleinlage verstärkt. Dafür habe ich ziemlich feste Einlage genommen, das macht definitiv einen Unterschied in Formstabilität und Griffigkeit. Mit dünnerer Einlage könnte man auch das komplette Vorderteil verstärken, das wäre wohl auch nicht verkehrt. Die verstärkten Teile sind bei mir die äußeren, die die Kragenunterseite bilden.
Dann habe ich nur die äußere Passe aus Leder gemacht, die innere aus dem Oberstoff. Ich wollte innen nicht gerne Leder haben, das wird doch gerade an dieser Stelle schnell speckig und ich weiß nicht ob sich das so angenehm trägt. Die Rückenpasse hätte man auch verstärken können, was ich allerdings vergessen habe. Mein Leder ist sehr weich, näht sich toll, aber ein wenig Stabilität hätte im Rücken vielleicht nicht geschadet. Apropos Leder: Beim Zuschnitt aus wiederverwertetem Leder muss man ggf. etwas auf die ursprüngliche Form achten. Bei der Hose, die ich zerschnitten hab ist das Knie bereits ein wenig ausgebeult, diese Stelle habe ich beim Zuschnitt dann umgangen.
Die Verarbeitung der Vorderteile und wie sie an die Passe genäht werden habe ich auch etwas anders gelöst. Allerdings ist meine Vorgehensweise eher fummelig und ich bin mir nicht mal sicher, ob sie wirklich einen messbaren Unterschied macht. Ich erläutere das deswegen hier nicht, wer trotzdem Interesse daran hat möge bitte nachfragen. :)
Knopf und Knopfloch lasse ich weg, ich mag den puristischen Look. Überhaupt ist das ein richtig schöner Schnitt. Ein gradliniges Design, bei dem die ganzen fummeligen Kleinteile (Reverskragen! Ärmelschlitze! Paspeltaschen! Saumschlitz!) die einen Blazer sonst aufwändig machen weggelassen wurden, und deswegen wirklich in Rekordzeit zu nähen. Trotzdem sieht es nicht nach Kompromisslösung aus, sondern wirkt schlüssig und durchdacht.
Und schließlich noch eine natroneske Kleinigkeit: Auf der Innenseite habe ich noch eine Verzierung untergebracht. Ich weiß. „Hat sie nicht gesagt, sie arbeite unter Zeitdruck? Und dann macht sie SOWAS!? Kann ja wohl so schlimm nicht sein mit der Eile.“ Ist es vielleicht auch nicht. Aber für solche meditativen Arbeiten wie Stickerei oder Handnähte nehme ich gerne die Zeit, die sonst ungenutzt vergehen würde: Fernsehen. Okay, ob Zeit beim Fernsehen generell als „ungenutzt“ betrachtet werden kann kommt wohl auf das Programm an. Aber es gibt ja mehr als genug Sendungen die nicht mal 50%ige Aufmerksamkeit brauchen. Und wenn ich dann nebenher irgendwas einfaches mit Nadel und Faden mache, schaffe ich trotz ehrgeizigem Zeitplan auch mal ein Extra wie dieses hier. Mir erschien die Rückenpasse einfach als so geeigneter Ort für ein Motiv. Und wenn ich dann erst mal eine Idee habe, fällt es mir schwer sie nicht umzusetzen. Das Prismen-Geometrie-Facettenmotiv, das ich dafür gezeichnet habe, kann man als Kopfnicken in Richtung der Hipsterhaftigkeit des Cut-Hefts sehen. Ich finde es von seiner Trendigkeit abgesehen aber wirklich hübsch. Mit Mathematik kriegt man mich immer ;).
Und noch etwas ist zu zeigen: Die Tasche! Als ich im April auf einer Hochzeit eingeladen war, brauchte ich auch schon eine Tasche. Soda hat dann schließlich ein ganz süßes Modell im Secondhand erspäht und für mich mitgebracht, das ich noch umgeändert aber bisher hier nicht gezeigt habe (Eine Schande, es ist wirklich schön!). Ich hatte mich allerdings zu dem Anlass auch schon mal online umgesehen, nach Taschen und Ideen. Bisher hatte ich quasi null Bedarf an Abendhandtaschen, also hat mich der ganze Hype um Clutches und dass man sie auch tagsüber zu normalen Outfits trägt echt gar nicht interessiert. Insofern wusste ich überhaupt nicht, was ich eigentlich suche. Aber ein paar Modelle haben mir dann doch gefallen. Darunter auch diese hier. Die Form und die Position des Reißverschlusses habe ich hier übernommen, aber alles etwas schlichter und kleiner gehalten.
Eine Seite ist aus Wildleder, die andere aus schwarzem Stoff. Ich hatte nach einem schwarzen Reißverschluss mit messingfarbenen Zähnen gesucht, aber mein Reißverschlussdealer hatte keinen in dieser Farbkombi. Nur den mit zwei Zippern. Was sich allerdings schnell als mein neues Lieblingsdetail erwiesen hat. So kann man die Tasche an der langen und kurzen Seite öffnen wenn man will und es ist auch optische interessanter als mit einem klassischen Reißverschluss. Innen hätte ich gerne eine poppige Farbe gehabt, hatte aber keine entsprechend poppigen Stoffe im Vorrat. Und was ist das zweitbeste nach Bonbonfarbe? Genau, Streifen!
Da es nur Rechtecke (mit abgerundeter Ecke) sind, war das relativ schnell fertig. Es ist noch eine ganze Menge Einlage und verstärkende Stoffschicht drin, damit die Tasche ihre Form behält. Ob das funktioniert, wird sich dann zeigen. Aber gefallen tut sie mir auf jeden Fall sehr. Schlicht mit toller Haptik und gerade dem richtigen Maß an Details. (Mir fällt gerade auf, dass ich kein Foto gemacht habe, auf dem man die tatsächliche Größe der Tasche abschätzen kann. Sie ist etwas kleiner als A4.)
Damit ist wenigstens das erste von drei Teilen fertig. Macht atemberaubende 0,2m für die Ausgang-Seite der Stoffbilanz :D
5 Antworten auf „Clutch und Tratsch“
ich würd den rock nicht füttern. ist doch gar nicht notwendig.
sollte der stoff aber minimal durchsichtig sein (was man am foto aber nicht sieht) – dann fütter ihn doch nur so mit einem „minirock“ (http://www.insidefruits.de/wp-content/uploads/2011/08/transparenter_rock.jpg) in einer goldfarbe wie die pailetten. macht sicher eine sehr interessante optik.
viel spaß noch ;)
@eli: Ah, okay, ich sehe gerade, dass ich kein einziges Foto von dem Stoff veröffentlicht habe, auf dem man erkennt wie transparent er eigentlich ist. Das Bild auf der Puppe täuscht, da ist ein anderer Stoff drunter, ohne Futter wäre das sehr durchsichtig. :)
Also mich würde tatsächlich interessieren, welche Variante du gewählt hast bzw. welche vorgeschlagen wurde.
Meiner (halbprofessionellen) Meinung nach ist die, die oft in der Burda drin ist absurd umständlich. Ich denke schon, dass es da feine Unterschiede gibt und Varianten, die besser sind als andere.
Liebe Grüße
btw: schönes projekt :)
@Maharet: Was mir an der Verarbeitung nicht gefallen hat ist, dass beim Cut das Vorderteil mit Kragen und Beleg fertig gemacht wird und dann die beiden Lagen (innen und außen) wie eins behandelt werden. Die beiden Schulterpassen werden dann am Halsausschnitt zusammengenäht. Um das Vorderteil dort zu befestigen wird es zwischen die beiden Lagen geschoben und angenäht. Meine Befürchtung war, dass dann der Punkt am Halsausschnitt wo Schulterpasse auf Vorderteil trifft nicht so schön wird (und das ist ja immerhin eine recht prominente Stelle). Also habe ich bei der Verarbeitung der Vorderteile darauf geachtet, dass innen und außen getrennt bleiben und das dann „richtig“ am kritischen Punkt angenäht (also aufgeklappt und so… ich hab keine Ahnung ob das verständlich ist ;)).
Irgendwie ist da bei diesem Kleid so der Hammer – von deiner ersten Skizze weg sehe ich absolut dich in dem Kleid, das wird soo gut werden! Ich freu mich schon so auf die Bilder mit Inhalt.
Und sehr beeindruckend, wie du in der kurzen Zeit „mal eben“ auch noch nen Blazer und ein Täschen dazu machst, faszinierend.. ich kann mir gar nicht vorstellen, dass du vor dem Stück sitzt und ewig überlegst, welche Variante du jetzt nähen sollst (und dieses Problem kann ich absolut nachvollziehen.. mir gehts schon mit kleinesten Änderungen so).