Zurück zur Lederjacke! Warum da so viel Zeit und Pannésamt dazwischen lag? Der Grund dafür war der Reißverschluss. Der ist in der Originallänge natürlich zu lang für meine gekürzte Jacke. Also musste er ersetzt werden, bevor es weiter gehen konnte. Ich wollte einen neuen kaufen, deswegen lag das ganze Projekt und wartete (auf meine Reise nach Berlin und den Türkenmarkt). Nicht das schlechteste, weil ich etwas Entspannung zwischendurch mit Stoffen statt Leder gut brauchen konnte. Aber dann siegte doch meine Ungeduld und nachdem ich hier drüber gestolpert war, habe ich den Reißverschluss einfach gekürzt. Ging besser als ich dachte.
Das Einnähen war etwas ätzend, weil das Leder sich in alle Richtungen dehnt wenn man nicht aufpasst. Ist nicht ganz perfekt geworden, aber das ist Charakter. Die Jacke hat überhaupt an vielen Stellen so ihre Eigenarten durch das wiederverwendete Leder mit teilweise sichtbar gebliebenen aufgetrennten Nähten, usw. Zeichen des Arbeitsprozesses, die sich nicht verstecken müssen, wie ich finde.
Vor dem nächsten Schritt – dem Futter – hatte ich etwas Bammel, also habe ich direkt weiter gemacht, damit die Jacke gar nicht erst die Chance bekommt zu kneifen und wieder tagelang faul auf der Puppe zu hängen.
Das nervige am Futter war nämlich dass ich erst noch einen Schnitt machen musste. Hätte ich mitgedacht, hätte ich das alles schon in den Papierschnitt einzeichnen können, als ich den Jackenkorpus überarbeitet habe. Habe ich aber nicht, also musste ich das Papierding jetzt noch mal passend drauflegen (fummel, fummel, fluch, motz) und versuchen Belege und Halsausschnitt abzuzeichnen. Kein Spaß. Ganz akkurat ist es natürlich auch nicht, was ich da gemalt habe, aber da das Futter ja gerne etwas größer und lockerer sein darf als der Oberstoff, gehen kleine Abweichungen unter.
Auf der linken Seite des Futters habe ich noch eine Leistentasche eingenäht, quasi genau so wie hier, sogar ebenfalls ohne Fotos vom Prozess ;). Irgendwann mache ich das mal ganz in Ruhe und dokumentiere ausführlich. Jetzt erst fällt mir übrigens auf, dass ich in den Burdaheften noch nie einen Jackenschnitt mit Innentasche gesehen habe. Klar, solchen Schnickschnack lassen sie weg um die Sachen nicht zu kompliziert zu machen. Aber realistisch ist das nicht.
Ganz wichtig finde ich beim Futter übrigens auch eine Bewegungsfalte im Rücken. Da das Leder etwas elastisch ist dehnt sich die Jacke wenn man die Arme nach vorne nimmt. Der Futterstoff muss da mit, und wenn er keine Mehrweite hat, dann reißt er früher oder später irgendwo. So passiert übrigens bei meinem Cut-Blazer. Da muss ich nun irgendwas nachträglich improvisieren, was ziemlich ärgerlich ist. Aber immerhin, bei zukünftigen Blazern und Jacken werde ich fortan darauf achten.
Bevor nun schlussendlich alles zusammenkam gab es noch eine letzte stilistische Entscheidung. Im Original hat die Jacke Schulterpolster gehabt, die hatte ich rausgetrennt und war kurz davor sie zu entsorgen. Ich meine.. Schulterpolster! Das muss ja nicht sein. Viel zu achtziger und so. Oder?
Dann habe ich die Jacke mal mit und mal ohne Polster probiert und die minimal betonten Schultern haben mir wirklich gut gefallen. Ist ja noch moderat, nicht so wie beim Denver-Clan. Wobei ich sagen muss, dass Joan Collins‘ Garderobe auf mich eine unheimlich-magische Anziehungskraft hatte, als ich neulich zufällig in eine Folge reingeschaltet habe. Das ist so over-the-top, mit den Betonfrisuren, dem vielen Rouge, den Modeschmuck-Klunkern und den farblich abgestimmten Hüten, das ist schon wieder toll.
Also, Schulterpolster auch wieder rein. Hat außerdem den Vorteil, dass sich schwere Taschen mit Schulterriemen angenehmer tragen. Und nachdem ich dann das Futter mit Ärmeln endgültig eingenäht und mit kurzen Stücken Band an ein paar strategischen Stellen mit der Jacke verbunden hatte (damit es nicht zu sehr herum rutscht) war sie dann doch endlich fertig. FERTIG! Freudentanz! :D
Ich liebe sie sehr, aber es war ein Haufen Arbeit. Das mit dem Leder hatte ich unterschätzt. Und wie viel Zeit Kleinkram doch braucht. Aber alle abgebrochenen Nadeln, alles Haareraufen und die ganzen Flusen vom Auftrennen vergisst man ja gnädigerweise ganz schnell, wenn die fertige Jacke ihren Zauber entfaltet. Sie passt zu allem. Wirklich, zu allem. Das ist genau die richtige Mischung aus Nonchalance und Kampfgeist den sie ausstrahlt und mit dem auch eine total öde Zusammenstellung von unspektakulären Klamotten zu einem interessanten Outfit wird. Das können nicht viele Kleidungsstücke. Insofern hat sich hier wirklich jede Mühe gelohnt. :)
Wenn ich jetzt so darüber nachdenke, dass ich die ganzen Taschen und Reißverschlüsse und den Kragen und diese ganzen Details auch noch selber hätte machen müssen, dann bin ich sehr froh von meiner Ursprungsidee abgewichen zu sein und statt eines kompletten Eigenbaus ein Second Hand Modell gesucht zu haben. Der Plan, Leder weiterzuverwenden ist erhalten geblieben, das ist mir wichtig. Vom ursprünglich anvisierten Material, dem Mantel meines Mannes, ist hier auch eine ganze Menge verarbeitet worden. Nur allein mit dem was an der Originaljacke in der Länge zu viel war hätte ich das nicht hingekriegt.
Ihren ersten Ausritt hatte die Jacke neulich auf dem Dom, wo ich sie gleich mal eingeweiht habe indem ich mir Soße in den Ärmel gekleckert habe (IN den Ärmel! Ganz große Kunst!). Ich hab es so gut es ging ausgewaschen, aber es schadet nicht dass das Ärmelfutter schwarz ist. ;)
Betrachtet man die Vorher-Nachher-Bilder, hat sich auf den ersten Blick außer der Länge nicht viel geändert. Aber wenn man zB auf die Schultern achtet kann man erahnen, dass da deutlich mehr drin steckt.
Und zum Abschluss noch schnell eine Liste von allem was ich an der Jacke gemacht habe, sollte ich je vergessen wie viel Arbeit das war:
Ärmel rausgetrennt
Seitennähte getrennt
Schulterpolster entfernt
Papierschnitt angepasst
Schnittänderungen übertragen
Seiten neu genäht
Ärmel geteilt
Einsatz gesteppt und Ärmel verlängert
Schulterklappen genäht
Ärmel eingesetzt
Gürtel genäht und eingesetzt
Futter rausgetrennt
Reißverschluss rausgetrennt
RV gekürzt
RV wieder eingenäht
Futterschnitt angepasst
Futterstoff für Korpus zugeschnitten
Saumbeleg gezeichnet und zugeschnitten
Innentasche eingenäht
Schulterpolster eingenäht
Korpusfutter zusammengesetzt und eingenäht
Riegel befestigt
Saum abgesteppt
Saumbeleg innen befestigt
Papierschnitt für Futterärmel überarbeitet
Ärmelfutter zugeschnitten
Ziehnippel ersetzt
Futter befestigt
Ärmelfutter eingenäht
Ösen in Gürtel eingeschlagen
Sternnieten an den Schulterklappen befestigt
17 Antworten auf „The beast will soon assemble“
Was für eine Verwandlung! Ich bin sehr angetan davon, wie sehr die Jacke jetzt „Natron!“ ruft. Und wie schön sie zu diesem bodenlangen Kleid passt.
Eine beeindruckende Liste an Arbeitsschritten ist das… Aber die Mühe hat sich echt gelohnt, die Jacke sieht klasse aus! :)
Ganz großes Kino. Die Jacke sieht super aus. Was für ein geniales Recyclingprojekt, das wird ein echtes Erbstück. Die gesteppten Ellbogeneinsätze sind u.vielem anderem mein Favorit. Das Futter! Die Patten! Perfekt, die (unendliche) Mühe hat sich wirklich gelohnt.
Deine überarbeitete Version komme meiner idealen Lederjacke sehr nahe. Ich habe jetzt zwar eine, die ihr ähnlich nahe kommt, allerdings aus Kunstleder. Etwas schwitzig, aber noch scheue ich den Arbeitsaufwand einer selbstgenähten. Und ich habe Panik davor, das man jeden falschen Stich sieht! ^^
Wunderschön! Für mich wäre das in der Länge jetzt eine reine Kleider-/Rockjacke, da Jacken zu Hosen für mich über den Allerwertesten reichen müssen – aber mit einer anderen Garderobe als der meinen kann sowas sicher auch zu Hosen sehr sexy sein. Die viele Arbeit hat sich wirklich gelohnt – da kann man beim Vorher-Bild ja kaum glauben, dass das die selbe Jacke ist!
Am tollsten finde ich ja i.d.R. am Umarbeiten, dass man hinterher Details hat, die man selbst nicht so gemacht hätte, im Nachhinein aber mag – gabs bei dir auch solche Dinge an der Jacke?
Unglaublich cooles Teil. Und die Arbeit, die da drinsteckt. Hut ab. Passt aber auch wirklich zu Allem.
wow, die ist ja schick. Da hat sich die Mühe wirklich gelohnt. Und ich finde man sieht außer der Länge definitiv Unterschiede zu vorher.
Magst du noch zeigen/beschreiben, wie und wo genau du die Bewegungsfalte ins Futter gemacht hast? Oder lässt sie das wegen der Farbe des Futters eher schlecht erkennen?
@Hana:
Am tollsten finde ich ja i.d.R. am Umarbeiten, dass man hinterher Details hat, die man selbst nicht so gemacht hätte, im Nachhinein aber mag – gabs bei dir auch solche Dinge an der Jacke?
Das stimmt, sowas mag ich auch. Da die Jacke von Stil her ziemlich klassisch gemacht war, waren keine „unerwarteten“ Details dran, aber zB das mit den gesteppten Einsätzen hätte ich ohne Not nicht gemacht, obwohl es mir jetzt richtig gut gefällt. Das einzige was wirklich recht zufällig entstanden ist, ist der Rest der Gürtelschlaufe im Rücken, über der gesteppten Partie. Ein völlig nutzloses aber hübsches Detail.
@Talia:
Das mit der Bewegungsfalte ist eigentlich ganz einfach. Dazu habe ich beim Zuschneiden in der Mitte des Futterrückenteils 4cm dazugegeben. Diese Weite habe ich zu einer Kellerfalte gelegt, die oben und unten ein paar Zentimeter zugenäht wurde. Dazwischen bleibt sie offen (ich habe sie auch nicht gebügelt, ich mag die harten Faltenkanten dort nicht) und fummelt sich dann beim Tragen da hin wo sie gebraucht wird. Ich habe leider kein richtig gutes Foto, aber hier kann man es hoffentlich ein wenig erkennen. :)
Sieht wirklich super aus!
Tolle Verwandlung, und Noctua hat es perfekt ausgedrückt, die Jacke passt so gut zu dir und ruft förmlich deinen Namen.
Wahnsinns-Projekt (für das ich viel zu faul wäre, muss ich mir eingestehen. So viele Arbeitsschritte und dann noch Leder. Vielleicht sollte ich mich doch mal wieder einer Herausforderung stellen, Faulheit ist auf Dauer ja auch keine Tugend).
lg ette
Sehr cooles Projekt. Gratulation zur Fertigstellung! Ich fluche immer schon, wenn ich die Motorradkluft meines Bruders reparieren darf, da will ich gar nicht wissen, was für Flüche ich bei so einem Projekt ausstoßen würde, trotz Leder-Nähfuß.
Gut finde ich auch, dass du das Schulterpolster drin gelassen hast. Ich finde, die Dinger haben zu Unrecht einen schlechten Ruf – klar denkt da jeder erst mal an die Prügel aus den Achtzigern, aber Schulterpolster haben durchaus einen Sinn. Ich benutze sie auch ganz gern bei Mänteln und Co., natürlich relativ dünne, die ihren Schwerpunkt auf dem Schulterblatt haben, das modelliert nochmal schön. :)
Von wegen „außer der Länge nicht viel geändert“.
Vorher ist „Nah“, nachher ist „Wow!“
Super gemacht!
Abgesehen von den großartigen Ergebnis der Jacke: Die etwas längeren Haare stehen Dir auch super, wenn ich das mal so sagen darf.
Das ist die schönste, coolste Lederjacke, di eich seit langem gesheen habe! Ich den großteil deiner Projekte sowieso klasse, aber dieses Stück ist wirklich unglaublich. Ich bin schwer begeistert!
Yay, selbst gekürzter RV! :) Das mache ich auf Arbeit so oft (wir kaufen nur RVs in ganz lang und kürzen die dann immer auf Bedarfslänge), mir fällt nie ein, dass andere Menschen das gar nicht kennen… o.O
Die Jacke ist wirklich verdammt cool geworden und passt absolut klasse zu dir. <3 Die viele Arbeit und die ganzen einzelnen Schritte haben sich gelohnt!
Holla die Rockerprinzessin, die Jacke ist wirklich grandios und ich bin total verliebt – vor allem die Absteppungen sind genial plaziert!
Wahnsinn!!! Ich hab hier ja auch noch so ein hochwertiges Herrenmodell hängen…