Erstaunlich, wie das immer so geht. Wenn man mal mit Mühe über seinen Schatten gesprungen ist stellt man überrascht fest, dass es plötzlich richtig viel Spaß macht, dort wo man gelandet ist. Geht mir gerade so. Meine Überwindungsleistung besteht hierbei darin, einen lila Stoff zu verwenden. Ja, lacht nur. Aber ich predige ja nicht ohne Grund bei jeder Gelegenheit, dass Lila und ich keine Freunde sind.
Warum eigentlich? Lila ist eigentlich eine ziemlich interessante Farbe mit einer Menge spannender Konnotationen. Lila Blumen finde ich zum Beispiel auch überhaupt nicht scheußlich. Und ich liebe Auberginen. Aber bei Kleidung (oder Einrichtung) habe ich sofort negative Assoziationen. Altbacken, bieder, Rüschentrampel. Ich denke es hat auch etwas mit dem gezwungen mädchenhaften von Rosa- und Lilatönen zu tun. An einem Mann finde ich einen lila Anzug nämlich völlig okay. ;)
Jedenfalls habe ich da so einen Stoff. Geschenkt bekommen. Es ist ein stabiler Interlock-Jersey (das ist der mit zwei rechten Seiten) in einem tiefen, blaustichigen Lilaton. Eine Schattierung mit der ich etwas besser zurecht komme, das hilft schon mal. Trotzdem habe ich ewig überlegt, was ich damit anstellen soll. Die Idee kam dann schlussendlich von Soda. Wir sprachen über ein paar meiner „Problemstoffe“ und sie gab mir Tipps. Ihr weiser Rat war „Wenn du dir mit der Farbe unsicher bist, mach nichts draus das du auf der oberen Körperhälfte trägst“. Das leuchtet mir ein. Und dann erwähnte sie das Wort „Sarouel-Jogginghose“. Ich wusste sofort was gemeint war. Eine Art schmal geschnittene Jogginghose mit tiefem Schritt. Sieht man offensichtlich in Berlin tatsächlich öfter mal an Leuten. Aber was sieht man in Berlin eigentlich nicht. Ich hatte das bisher eher online und auch eher an dünnen jungen Männern beobachtet. An mir? Hmh. Und dann auch noch in lila? Doppelhmh.
Aber je länger ich diese Idee hin und her bewegte, desto interessanter erschien sie mir. Eine lila Hose ist für meine Verhältnisse schon ein gewisses Wagnis. Ich war also nicht sicher, ob diese Aktion etwas tragbares hervorbringen würde. Aber wenn, dann hätte es Potential ein paar ganz neue Türen aufzustoßen. Und wenn nicht, na, dann wäre ich immerhin diesen lila Stoff los. :D
Für den Schnitt habe ich Burda 07-2011-102 umgeändert. Das ist eine Hose mit Jerseybund, die ich schon mal genäht habe und sehr gerne trage. Der Schnitt ist einfach toll. Für diese Jogginghosenversion habe ich den Schritt noch etwas weiter runter gezogen und einen schmaleren Bund ergänzt.
Was fällt beim Bild vom Zuschnitt auf? Genau, kein Bund und keine Taschen. Die gingen beim besten Willen nicht mehr drauf, also habe ich da einen ähnlichen Stoff in Schwarz ergänzt. Kein Drama.
Eine erste Anprobe brachte dann eine gewisse Ernüchterung. Das hat Altherren-Charme. Eine gemütliche Rundumdehnbund-Hose und dann noch in dieser unsäglichen Farbe. Also so nicht.
Ich habe dann an den Innenbeinnähten etwas Weite rausgenommen und die Schrittkurve angepasst. Die zweite Anprobe war schon erfolgversprechender.
Auf dem richtigen Weg, aber noch nicht da. Offenbar hatte ich unterschätzt wie schmale so eine Hose doch geschnitten sein muss, um die richtige Wirkung zu erzielen. Also noch mehr Weite im oberen Bereich an den Seitennähten weggenommen. Dabei sind die Tascheneingriffe etwas schmaler geworden, aber immer noch gut benutzbar.
Und siehe da: Wir haben eine Hipsterhose. Das ist der Look den ich wollte. Ich bin mir sicher, dass das nicht Jedermanns Geschmack trifft, aber damit kann ich gut leben.
Fehlten nur noch Bund und Bündchen, ersterer mit zwei Messingösen für den Fall dass ich später noch ein Gummiband in den Bund einziehen möchte (Gummiband ist bei mir notorisch Mangelware, deswegen erst mal ohne).
Und hier ist das Corpus Delicti nun also:
Fazit? Ich denke, dass Lila genau diesen androgynen und straßenaktuellen Schnitt als Kombipartner gebraucht hat um aus der Zimperliesen-Ecke rauszukommen. Und da sie beide, Stoff und Schnitt, ein bisschen Bad Taste sind ist das ein überraschend starker Look geworden. Ich bin nicht plötzlich zum Fan von Violetttönen geworden, aber die Farbe hat sich als vielseitiger herausgestellt als ich erwartet hatte. Vorurteil korrigiert, Lektion gelernt! :)
Zusammenfassung
Schnitt: Abgewandelt auf der Grundlage von Hose 102 aus Burda 07/2011.
Änderungen: Beine schmaler, Schritt tiefer, Taschen angepasst, Bund und Bündchen ergänzt.
Material: 1m Interlock in Lila, Rest schwarzer Jersey.
7 Antworten auf „Lila. Der erste Versuch.“
Bei mir ist lila genau meine Farbe :) War auch etwas überrascht sie plötzlich bei dir zu sehen, aber deine fertige Hose ist trotz lila total Natron. Mein Ding wär das absolut nicht, aber sieht trotzdem cool aus und passt dir sehr gut :)
„Und da sie beide, Stoff und Schnitt, ein bisschen Bad Taste sind ist das ein überraschend starker Look geworden.“
An der Kunsthochschule würden sie dich dafür verehren. Aber nur in Kombination mit weißen Sportschuhen… ;D
Da ich selbst gerade eine lila Hose trage, muss ich deine auch mal kommentieren ;)! Mir gefällt der Farbton super, aber ich finde ihn auch an dir sehr ungewohnt. Dafür ist der Schnitt wieder etwas, was sehr gut zu dir passt.
Lila hat mich bisher nie richtig interessiert. Als ich im Stoffladen auf der Suche nach Stoff für einen WIntermantel war, besser gesagt nach zweien, gab es da nur zwei Stoffe, die perfekt miteinander harmoniert haben, und die waren beide lila. Und der entstandene Mantel ist toll! Erst dadurch habe ich entdeckt, dass Lila mir total steht (gut, kommt wie bei allen Farben wieder auf den Unterton an, generell stehen mir eher warme Töne) und seitdem habe ich mich sogar richtig mit der Farbe angefreundet.
Ich hab auch nicht so wirklich viel Lila, stehe der Farbe aber grundsätzlich auch nicht ganz abgeneigt gegenüber (obwohl ich rote Haare habe). Dieser Ton ist zum Beispiel sehr nach meinem Geschmack, schön dunkel und trotzdem irgendwie kräftig, leuchtend, edel, das gefällt mir. Der Schnitt wäre wiederum nichts für mich, aber auch das hätte ich vorher gewusst und was anderes aus dem Stoff gemacht. ;)
Die Hose is mega toll genau so einen schnitt suche ich noch :) jetzt frage ich mich nur wie setzt man den schritt den tiefer habe so etwas noch nie gemacht über ne kleine Hilfestellung würde ich mich riesig freuen :)
Lg jennifer
@jennifer: Im Prinzip musst du dafür den Bereich oberhalb der Schrittkurve verlängern und den Teil darunter entsprechend kürzen. Nach oben kannst du einfach die Linien verlängern (die Weite muss aber gleich bleiben). Nach unten die Hosenbeine nicht einfach abschneiden, sondern eher „zusammenstauchen“, so dass die Saumweite erhalten bleibt. Ich hoffe das ist halbwegs verständlich :)